Suffering begins when the narrative doesn’t match reality

Jemand hat mich vor einiger Zeit gefragt, wie ich während der Zeit als Vorstand bei Xenium mein inneres Gleichgewicht behalten habe. Meine Antwort war: „Laufen und Zen“.

Seit 1996 beschäftige ich mich mit Zen-Buddhismus. Ich habe seither an vielen Meditationswochen teilgenommen, häufig  morgens meditiert und versucht, die Hinweise aus dem Zen im Alltag umzusetzen. Wie genau hat das meine Tätigkeit als Unternehmer und Berater beeinflusst? Zum Beispiel mit diesem Hinweis:

Verliebe Dich nicht in Deine eigenen Geschichten!

„Suffering begins when the narrative doesn’t match reality“ – das Leiden beginnt, wenn Deine Geschichte nicht mehr zur Wirklichkeit passt.

Die Frage nach dem Leiden war es, die Siddhartha Gautama, den späteren Buddha, bewog, sein behütetes Dasein aufzugeben und nach einer Antwort zu suchen.

Ein wichtiger Teil seiner Antwort war, dass wir Menschen uns selbst und anderen ständig Geschichten –  Mythen, Theorien, Modelle, Konzepte etc. —  erzählen, mit denen wir uns die Wirklichkeit erklären. Die Geschichten helfen uns, uns in der Welt zurechtzufinden, untereinander zu verständigen und Gemeinschaft zu stiften. Aber es sind nur Geschichten, nicht die Wirklichkeit selbst! Sie blenden zwangsläufig viele Aspekte der Wirklichkeit aus und werden damit ab einem bestimmten Punkt falsch und schädlich.

Das vergessen wir aber meistens: Wir glauben fest an unsere Geschichte, wir halten sie für die Wirklichkeit selbst. Und deshalb verpassen wir den Punkt, ab dem sie nicht mehr passen — und genau hier beginnt das Leiden:

  • Der Regenmacher weiß, wie man Regen macht – aber es regnet nicht.
  • Die Start-up-Gründer haben ein Produkt gebaut, das die Welt braucht – aber es kauft keiner.
  • Der Projektplan ist perfekt – aber die Meilensteine werden alle gerissen.
  • Ich weiß, wie eine Partnerschaft funktioniert – aber mein Partner hält sich nicht daran.

Das Kernelement des Zen ist das stille Sitzen auf dem Kissen im Schweigen. In Mediations-Retreats tut man das viele Stunden am Tag, manchmal eine ganze Woche lang. Unweigerlich kommt dann alles hoch, was einen gerade bewegt. Am besten ist es, sich dagegen nicht zu wehren, sondern es geschehen zu lassen, zu akzeptieren und sich selbst zu beobachten.

Ich selbst beobachtete häufig, wie ich immer wieder denselben Gedanken dachte und mich über irgendetwas aufregte. Aber irgendwann merkte ich immer, dass ich mich dabei im Kreis drehte. Und dann schaute ich mir das genauer an: Es waren tatsächlich einfach nur Geschichten, die ich mir selbst erzählte – manchmal sogar richtige Märchen, die mit der Wirklichkeit fast gar nicht mehr zu tun hatten! Kein Wunder, dass es mir damit schlecht ging.

Drei Beispiele dazu aus meiner Zeit als Unternehmer und Berater:

  1. Die Xenium-Strategie: Wir waren recht schnell am Markt erfolgreich – als Beratungsunternehmen, aber nicht als Software-Entwickler. Das hatten wir uns aber ursprünglich in den Kopf gesetzt. Jahrelang haben wir Menschen eingestellt, die programmieren wollten, hatten aber keine Aufgaben für sie. Erst 2005 haben wir einen strategischen Wechsel ein geleitet und uns auf das konzentriert, was unsere Kunden immer schon von uns haben wollten: Führung für kritische Projekte. Diese Erkenntnis hat uns mehr als fünf Jahre gekostet!
  2. Krisenprojekte: In nahezu allen Krisenprojekten, an denen ich beteiligt war, haben die Verantwortlichen  viel zu lange an unrealistischen Plänen und Ideen festgehalten – teilweise auch ich selbst. Im Nachhinein wurde häufig klar: Das hätte nie im Leben funktionieren können! Der ungeschminkten Wahrheit ins Gesicht zu schauen ist der Schlüssel zum Turnaround – aber dafür muss man sich erst einmal von ein paar eigenen Geschichten lösen.
  3. Mitarbeiterführung: Viele Jahre lang habe ich in Mitarbeitergesprächen meine Geschichte erzählt, die ich mir über die Person konstruiert hatte – und zwar mit dem Anspruch Recht zu haben; schließlich war ich ja der Chef. Erst in den letzten Jahren habe ich versucht, mit offenem Herzen wahrzunehmen wer mir da gegenübersitzt, ihm oder ihr meine Beobachtungen zu erzählen und Wünsche oder Bitten zu formulieren; natürlich muss es ab und zu mal klare Ansagen geben – aber ich denke heute, dass das viel seltener angemessen war als ich früher dachte.

Die Meditation und insbesondere die regelmäßigen intensiven Meditationswochen haben mir sehr geholfen, solche Geschichten zu erkennen und mich von ihnen zu lösen.

Und was erzählst Du Dir so für Geschichten?

 

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